Theatergemeinde
München

Münchner Kirchenzeitung / Sonntag, 22. November 2009

Kino, das verbindet

Der „Kino Treff Rio" besteht seit 20 Jahren

München. „Ich habe mich gefragt, warum ich mir so einen Film antun muss." Die Dame in einer der hinteren Reihen des Kinosaals rutscht etwas verärgert auf ihrem Sessel herum. Die Vorstellung ist beendet, „Sommer vorm Balkon" lief heute, ein Film von Andreas Dresen, der ungeschönt das Leben einfacher Leute in Berlin porträtiert. Die Sprache ist dialektal, teils schmutzig, und auch sonst kennt der Regisseur nur wenige Tabus.

„Als gesittetes Münchner Publikum kann man sich natürlich an diesem Milieu stoßen", sagt Eckart Bruchner. Er steht zwischen den vorderen Sitzreihen und schickt ein verständnisvolles Lächeln in den Saal. Das kann er gut, von Beruf ist er evangelischer Pfarrer. Dass er heute als Referent für diesen Film auftritt, mag ein wenig verwundern. Aber „Sommer vorm Balkon" ist Teil der aktuellen Filmreihe beim Kino-Treff Rio. Seit 20 Jahren gibt es dieses Angebot. Bruchner war von Anfang an dabei. Auch die Gründerin des Kino-Treffs Rio ist heute Abend erschienen, trotz ihres beachtlichen Alters von 103 Jahren. Den 20. Geburtstag „ihres Kindes" konnte Paula Linhart sich nicht entgehen lassen.

In den 80er Jahren wollte sie ein Forum schaffen, bei dem Filme als künstlerische Ausdrucksform gezeigt und diskutiert würden, erzählt sie. Der Film sollte als Träger der Kultur ins Licht gerückt werden. Einer Kultur, die für sie eng ans Christentum gekoppelt ist. Deshalb arbeitete sie von Anfang an mit Vertretern der katholischen und evangelischen Kirche zusammen.

„Ein guter Film" sagt Paula Linhart, „kann den Menschen besser machen." In vielen Filmen seien christliche Werte versteckt und oftmals berühre der Film den Menschen inniger als eine Predigt. Sie schmunzelt. Dass ihre Idee Realität wurde, verdankte sie ihren Kontakten und Freunden. Die Besitzer des Rio-Filmpalastes am Rosenheimer Platz stellten einmal im Monat ihren Saal zur Verfügung, der Kino Treff Rio dankt es ihnen in seinem Namen. Und die Theatergemeinde München nahm das Unternehmen unter ihre Fittiche und unterstütz es bis heute, auch finanziell.

Einiges hat sich in den letzten Jahren geändert: So kommt der Kino-Treff Rio nicht mehr jeden Monat zusammen, sondern besteht aus zwei Halbjahres-Reihen, eine läuft im Winter- und die andere im Sommersemester. Die aktuelle Reihe steht unter dem Motto „Zusammen stark!" und beleuchtet das Thema Freundschaft. Das passt zum 20-jährigen Jubiläum des Kino-Treffs: „Heute kann ich all meine Freunde umarmen", sagt Paula Linhart am Ende ihrer kleinen Festrede.

Eine Freundschaft, die allen Widrigkeiten standhält, das ist auch das tragende Element im manchmal ruppig anmutenden Film von Andreas Dresen. Und als die verärgerte Dame aus der hinteren Reihe gefragt wird, warum sie trotz allen

Missfallens geblieben sei, sag sie: „Weil meine Freunde auch geblieben sind."                                                                                                                 

Anna Giordano
 

 Mit freundlicher Genehmigung der Münchner Kirchenzeitung.

  zurück zur Übersicht